Jeder kennt den markanten Schriftzug von Nivea oder die geschwungene Schreibschrift von Coca Cola. Markennamen übermitteln nicht nur Inhalt, sondern auch ihre Form prägt sich dem Betrachter bewusst oder unbewusst ein. Zwei, die das Handwerk der Typografie bis ins Detail beherrschen, sind die Grafiker und Schriftgestalter Michael Mischler und Nik Thoenen von der Type Foundry Binnenland Bern/Wien. Gemeinsam mit ihnen spreche ich über den Charakter von Schrift und deren Charakter. Marke und Schrift sind eigentlich kaum voneinander zu trennen. Dennoch gibt es Marken, bei denen ich mich eher an das Bild erinnere als an die Schrift, so z.B. beim angebissenen Apfel von Apple, beim spiralartigen Herz vom Lusso Glace oder bei den drei markanten Schlüsseln der UBS. Oft aber sind es die Schriftzüge, die im Kopf bleiben, man denke an das kräftige Nivea, das geschwungene Milka oder das konstruierte ABB, die ich mit schnellem Strich auf Papier skizzieren könnte. Mit anderen Worten: Nicht nur Bilder prägen sich ein, sondern auch die Form von Schrift. Habt Ihr Wortmarken, bei denen Euch die Schrift besonders gut gefällt? Und wenn ja, weshalb?
Michael Mischler Du hast zwei wunderbare Beispiele genannt! Nivea, gesetzt in der Futura, vielleicht für diesen Zweck leicht abgeändert und der schwungvolle Coca-Cola-Schriftzug von Frank M. Robinson. In unserer Jugend war der Coca-Cola-Schriftzug sehr modern, das Unternehmen erfrischte mit seiner Werbung und seinem Markenauftritt und erschien uns am Puls der Zeit. Aber ist das im Zeitalter von Red Bull und Quinoa für junge Leute heute noch so? Was für uns Coolness bedeutete, wird heute mit einer beschwingten Post-Hippie-Buntheit vermittelt. Dennoch ist es immer möglich, dass eine alte Cola-Dose mit ihrem schmucken Design als Fundstück aus der Brockenstube zur Inspirationsquelle werden kann. Als Typografen sind wir immer auf der Suche nach Inspirationen. So ist es naheliegend, dass auch bekannte und weniger bekannte Markennamen mit ihren Schriftzügen dazu anregen, die Alphabete zu vervollständigen. Es gibt einige Beispiele an Schriften, welche nur wenige Buchstaben in Form eines Schriftzuges als Vorlage hatten: so z.B. die Schriften Brauer von Philippe Desarzens und Elektrosmog, die vom Schriftzug der Brauerei Hürlimann abgeleitet wurden, oder die Tablettenschrift von Reala, die vom PEZ-Schriftzug ausging.
Nik Thoenen Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass bei vielen Marken-Schriftzügen auf bestehende Schriften zurückgegriffen wurde, die oft zu einer passenden Erscheinung umgezeichnet wurden. Das erweitert den Formenfundus für das Typedesign. Wir befinden uns in einem Zeitalter, wo die Dichte an zugänglichen Schriften unglaublich hoch ist und sich viele Schrifttypen oft nur in Details unterscheiden. Da werden formale Anregungen hilfreich, die sich später entscheidend auf die Wiedererkennbarkeit einer neuen Schrift auswirken.